Dr. Josef Simbrunner

Das Linzer Theaterwesen von den Anfängen bis zur Gegenwart –
Ein kulturgeschichtlicher Streifzug
Grundlagen des Linzer städtischen Bühnenwesens:
2) Das Schultheater der Stände und der Jesuiten


Die Wiederentdeckung der Antike in Kunst und Wissenschaft, der Siegeszug des Humanismus und die rasante Evangelisierung hatten auch dem renaissancezeitlichen Linz bzw. Oberösterreich vielfach ihren Stempel aufgedrückt. Der Initiative des Adels und ständischer Kreise, die durch den Übertritt zum „neuen Glauben“ nicht zuletzt ihre Position dem Landesfürsten gegenüber stärkten und humanistischem Gedankengut als Grundlage von Persönlichkeitsentfaltung und Jugenderziehung huldigten, verdankte sich ab 1542 die Tradition protestantischer oö. Landschaftsschulen samt internem Theater.

Maximilian I (1459-1519)Auf Linzer Boden war es die vom Herren- und Ritterstand gegründete voruniversitäre „Adels- oder Landschaftsschule“,(5) die seit der Übersiedlung in das Landhaus 1574 regelmäßig Komödien und evangelische Schuldramen zur Aufführung brachte. 1629, nach Beginn der Gegenreformation, musste man die Vereinigung mit dem ins Landhaus eingezogenen Gymnasium der Jesuiten hinnehmen,(6) unter deren Ägide das Linzer Schultheater eine nachhaltige Belebung auf hohem Niveau – und mit konfessionell geändertem Vorzeichen erfuhr.

Foto: Zur Unterrichtsqualität der protestantischen Landschaftsschule Linz trug seine mehr als zehnjährige Lehrtätigkeit in den Fächern Mathematik, Philosophie, Geschichte erheblich bei: Johannes Kepler, Bronzestatue im Linzer Pavillon auf dem Linzer Schlossberg. Bildautor: S. Liedl.

Spirituelle Basis des sogenannten „Jesuitendramas“ waren die geistlichen Übungen und Anweisungen des Ordensgründers Ignatius von Loyola, das Spielwesen selbst wuchs aus der jesuitischen Mittelschule heraus, wobei die materielle Abgesichertheit durch reichliche Einnahmen und Unterstützungsgelder früh eine praktische Realisierung von Theater als Gesamtkunstwerk aus Sprache, Musik, Tanz und Bühnentechnik mit komplizierter Maschinerie ermöglichte. Schauspielunterricht war Pflichtgegenstand, mindestens einmal pro Jahr hatten die Zöglinge der höchsten oder zweithöchsten Klasse vor auserlesenem und zahlungskräftigem Publikum ihre Lateinkenntnisse „mimisch“ unter Beweis zu stellen. Die textliche und inhaltliche Nachvollziehbarkeit erleichterten Periochen, gedruckte Programmhefte mit durchwegs übersetzter Zusammenfassung aller Akte und Szenen. Die Stoffe waren vorerst überwiegend religiöser Natur; man bearbeitete Heiligenlegenden und biblische Ereignisse, bis Ende des 17. Jahrhunderts die vorchristliche Antike in den Mittelpunkt trat.(7)

Eine Hochblüte erreichte das Linzer Jesuitentheater – meistgepflegte Gattungen: Tragödie und Tragikomödie – zur Regierungszeit Leopold I., der seinen Hof 1680/81 auf der Flucht vor der Pest und 1683/84 wegen der Türkengefahr vorübergehend in die Donaustadt verlegt hatte. Konstanter Spielerfolg und namhafte Finanzhilfe u. a. durch die Stände erlaubten dem Kolleg 1732 die Errichtung einer stabilen, steingebauten Bühne beim alten „Theaterviertel“ nächst der heutigen Zollamtstraße, von dem in der Folge noch mehrmals die Rede sein wird.

Das monarchieweite Verbot von Schulaufführungen – Teil der Maria Theresianischen Reformen, die unter anderem den Einfluss der Kirche zurückdrängten – bereitete der jesuitischen Theaterkunst 1769 das unwiderrufliche „Aus“. Ihr kultureller, gesellschaftlicher und bildungspolitischer Stellenwert lässt sich im Rückblick auch daran abschätzen, dass für das deutschsprachige Gebiet mehr als 7.600 „Jesuitendramen“ nachweisbar sind.(8)


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(5)   Zum Lehrkörper der Anstalt zählten berühmte Dichter, Theologen und Wissenschafter, u. a. Johannes Kepler, der als Landschaftsmathematiker der Stände 14 Jahre in Linz zubrachte und die Donaustadt – unter den Zwängen der Gegenreformation – 1626 fluchtartig verließ. (Die evangelische Landschaftsschule war auch ein tragendes Element des zeitgenössischen Linzer Musiklebens).
(6)   Für den, 1627 vom Kaiser vor die Alternative des Bekenntniswechsels oder der Emigration gestellten, evangelischen Adel war dies der einzig gangbare Weg zur Aufrechterhaltung des eigenen Schulbetriebs gewesen. (Das Jesuitengymnasium ist ein indirekter Vorläufer des heutigen Akademischen Gymnasiums Linz, Spittelwiese.)
(7)   Die Bildungs-, Verkündigungs- und Missionstätigkeit des Ordens erstreckte sich im 17./18. Jahrhundert auf praktisch alle Kontinente. Eine wesentliche Rolle spielte auch dabei das Theater, besser, ein „Welttheater als lebende Kanzel“, in dem sich der ganze Globus wiederfinden sollte. Zwischendurch griff man auch japanische Themen auf, vor allem in der Absicht, die missionarischen Fernost-Erfolge des Ordens und der Kirche ins Licht zu stellen.
(8)   Der Jesuitenpater Franziscus Lang hat den Schatz seiner reichen, einschlägigen Erfahrungen in „Dissertatio de actione scenica“ 1727 zusammengefasst. Die Schrift gibt guten Einblick in die Erfolgsgeheimnisse des Jesuitentheaters.

Das Linzer Theaterwesen von den Anfängen bis zur Gegenwart – Ein kulturgeschichtlicher Streifzug

Einleitung
Grundlagen des Linzer städtischen
Bühnenwesens:
1) Theater für den kaiserlichen Hof
(ab 1500)

Das höfische Barocktheater
2) Das Schultheater der Stände
und der Jesuiten

Bürger- und Handwerkerspiele
3) Das Spiel der Wanderkomödianten
in den Bretterbuden

Theaterviertel für die breite Bevölkerung
Das Ständische Theaterviertel /
Reitschule und Ballhaus

Das Ständische Ballhaus
Das Ringen um einen repräsentativen
Theaterbau - Pläne und Rückschläge

Das Stadt- oder Wassertheater als
erstes öffentliches Bühnenhaus

Schikaneder u. Mozart im Stadttheater
Das Marionettentheater/Sommertheater
Das Ballhaus wird aufgestockt -
Redoutensaal und Casino entstehen

Das Ende des Städtischen Wasser-
theaters

Übergangslösung Redoutensaal
Das Projekt Landestheater
nimmt Gestalt an

Errichtung im Eiltempo
Erste Vorstellung am 4. Oktober 1803

Wechselhaftte Bilanzen
Verpasste Chancen /
die "Theaterkrise" von 1932
Unter brauner Flagge
Der Betrieg zur Nachkriegszeit
Weg zum "modernen Landestheater"
Das Musiktheater im Volksgarte
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OÖ Heimatblätter 2014 Heft 3/4Artikel aus:
OÖ. Heimatblätter
2014 Heft 3/4,
Beiträge zur OÖ. Landeskunde,
68. Jahrgang,
Hrsg.: Amt der
OÖ. Landesregierung,
Dir. Kultur