Interview: Kulturpolitik öffnet Wege
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer im Gespräch mit Elisabeth Mayr-Kern

AM 30. OKTOBER 1991 hat Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer das Kulturressort der Landesregierung übernommen, mit 6. April 2017 legt er seine Funktion als Landeshauptmann zurück. Im folgenden Gespräch zieht er Bilanz über seine mehr als 25jährige Arbeit als Kulturreferent, über Schwerpunkte und Entwicklungslinien, die diese Zeit in seinen Augen geprägt haben.

Herr Landeshauptmann, wie schwer ist es, die Funktion als Kulturreferent der Landesregierung nach so langer Zeit abzugeben?
Nicht schwer, weil ich sie in gute Hände legen kann. Aber jeder, der mich kennt, weiß, dass ich dem Kulturressort immer besonders verbunden war, daher ist mit dem Abschied sicher auch ein Stück Wehmut verbunden. Trotzdem: ich bin sicher, bei Thomas Stelzer sind Kunst und Kultur in Oberösterreich in den besten Händen.

In Ihrer ersten Budgetrede als Kulturreferent haben Sie die Kunst als „wichtigste Instanz der Weltdeutung“, als „Darstellung und Deutung unserer Welt und unseres Lebens“ beschrieben. Würden Sie das heute noch genauso sagen?
Es war ein Zitat eines deutschen Künstlers, das ich damals an den Beginn meiner Rede gestellt habe; und ja, in diesen Worten liegt viel Wahrheit. Natürlich geht es immer auch um Qualität. Nicht jedes Kunstwerk, nicht jedes Projekt erfüllt diesen Anspruch, muss es auch nicht. Das Zitat beschreibt aber den tiefsten Urgrund, warum Kunst und Kultur für uns Menschen, aber auch für eine Gesellschaft als Gesamtes von so großer Bedeutung sind. Wir, die wir in den Mechanismen, Strukturen und Abläufen des Alltags oftmals gefangen sind, brauchen diese Wegweiser, die über das Alltägliche hinausreichen, die tiefer gehen, oder höher reichen: sowohl als Spiegel, aber auch als kreativen Impuls, Dinge anders und damit neu zu denken.

Wenn Sie auf die vergangenen mehr als 25 Jahre als Kulturreferent zurückdenken – was waren die großen Leitlinien?
Die waren vielschichtig, und vor allem nie eindimensional. So wie Kunst und Kultur eben sind, damit gilt es zu arbeiten. Zum einen ging es mir immer darum, Kunst und Kultur zu ermöglichen, flexibel und unbürokratisch zu fördern und wo immer es geht zu unterstützen, und das landesweit. Wer heute offenen Auges durch Oberösterreich fährt, wird ein Gespür dafür bekommen, wie dicht das kulturelle Netzwerk ist, das sich in unserem Land verankert hat. Hoch- und Zeitkultur in all ihren Sparten, die Volkskultur – das alles kann man in allen Regionen erleben, im überwiegenden Teil getragen durch außergewöhnliches ehrenamtliches Engagement. Es ist wirklich beeindruckend. Ich habe es immer als meine Aufgabe gesehen, meinen Beitrag zu leisten, damit das weiter möglich ist. Ein zweites, das mir wichtig war, ist es, Kunst und Kultur dafür einzusetzen, Begegnungen zu ermöglichen: grenzüberschreitend, aber auch in unserem Land. Kunst und Kultur sind eben auch Türöffner: einerseits natürlich des Geistes, der Kreativität, andererseits ganz pragmatisch zwischen Menschen. Noch ein dritter Punkt war mir wichtig: Berührungsängste abbauen, Wege öffnen, die Menschen zu Kunst und Kultur hinführen – und das für alle Generationen.

Ihnen wird dabei stets eine besondere Nähe zur Volkskultur nachgesagt...
Die Volkskultur ist mit ihren mehr als 110.000 aktiven Menschen eine wesentliche Säule unseres kulturellen Lebens, das muss man einfach so sehen. Aber mir war es immer wichtig, die ganze Breite des kulturellen Lebens zu fördern und zu unterstützen. Dass die Volkskultur allein schon durch ihre Präsenz oftmals stärker wahrgenommen wird, ist ein Faktum. Es ist aber auch meine feste Überzeugung: Volkskultur und Zeitkultur schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil: beide sind wichtig und notwendig, und in Wahrheit unverzichtbar.

Kunst und Kultur hatten in Ihrer Arbeit aber nicht nur positive Seiten. Was bleibt Ihnen als negativ bzw. schmerzhaft in Erinnerung?
Natürlich kann man nicht immer alle Wünsche und Anliegen, die an einen herangetragen werden, erfüllen. Da muss man manchmal auch Entscheidungen treffen, die nichteinfach sind. Dies zu vermitteln fällt schwer, weil man ja Menschen, die mit viel Leidenschaft an ein Projekt herangehen, auch enttäuschen muss. Und dann natürlich die Volksbefragung zum Musiktheater, das war damals ein großer Rückschlag.

Doch im Nachhinein gesehen hat sich alles zum Positiven gewendet?
Ich war immer überzeugt, dass Oberösterreich ein Musiktheater braucht, und dass dieses Haus von den Menschen angenommen wird. Dass wir heute eines der erfolgreichsten Häuser Europas haben, das allerdings habe ich so nicht erwartet. Man darf aber nicht übersehen: das Musiktheater steht ja nicht für sich allein. Wir haben in den letzten Jahren die gesamte kulturelle Infrastruktur des Landes erneuert, vom Südflügel des Linzer Schlosses, über die Landesbibliothek und die neue Bruckneruniversität bis hin zum Ursulinenhof. Da ist unendlich viel geschehen, in durchaus auch architektonisch ambitionierten Projekten.
Das Zeichen dahinter ist ganz klar: wir können Kultur nicht verstecken, sondern müssen sie mit auch baulich guten Rahmenbedingungen ausstatten, wie eben jetzt auch das Schauspielhaus des Landestheaters.

Ein Thema, das Ihnen stets ein besonderes Anliegen war, waren die Musikschulen...
Kinder und Jugendlichen einen Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe von Kulturpolitik, und da haben wir mit den Musikschulen – die ja heuer ihr 40jähriges Bestehen feiern – eine unentbehrliche Einrichtung. Ich bin zutiefst überzeugt, dass die Gründung des Landesmusikschulwerkes eine der nachhaltigsten kulturpolitischen Entscheidungen des 20. Jahrhunderts war. Jeder Euro, den wir in diese Einrichtung investieren, kommt mehrfach verzinst zurück. Wissenschaftliche Studien belegen ja eindeutig, wie junge Menschen durch musischen Unterricht für ihr ganzes Leben profitieren. Musikschulen sind eine unverzichtbare Bildungseinrichtung.

Welche Rolle haben die Kultureinrichtungen des Landes ganz generell in Ihrer Kulturpolitik gespielt?
Eine zentrale, weil wir über die Kultureinrichtungen des Landes die Möglichkeit haben, Themen zu setzen und mit hoher Qualität voranzutreiben. Wir arbeiten ja in einer enormen Bandbreite: vom „Höhenrausch“, der in unserem Kulturquartier in Linz Meilensteine in der Kunstvermittlung gesetzt hat, über die Landesausstellungen bis hin zur Forschungstätigkeit des Landesarchivs, das die Geschichte unseres Landes im 20. Jahrhundert neu und zeitgemäß beleuchtet. Natürlich zählen alle unsere anderen Einrichtungen, vom Landesmuseum, der Landesbibliothek, dem StifterHaus bis hin zur Kunstsammlung des Landes dazu. In allen wird hervorragende Arbeit geleistet, auch das gehört zu einer Bilanz.

Was bleibt?
Die Erinnerung an eine spannende Zeit und die vielen, vielen Begegnungen mit Menschen, die mit ihrem Engagement und ihrer Leidenschaft Kunst und Kultur in Oberösterreich erst möglich machen.

Das Interview erschien in einem Sonderdruck des OÖ. Kulturbericht,
Ausgabe März 2017

 

Artikel aus einem Sonderdruck des OÖ. Kulturbericht, Ausgabe März 2017



Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer im Gespräch über seine kulturpolitischen LeitlinienLandeshauptmann Dr. Josef Pühringer im Gespräch über seine kulturpolitischen Leitlinien. Bildquelle: Land OÖ

Landeshauptmann Pühringer präsentiert 1997 zwei Kultur-Broschüren des Landes
Foto: Landeshauptmann Pühringer präsentiert 1997 zwei Kultur-Broschüren des Landes. Bildquelle: Land OÖ

Verleihung des Landespreises für initiative Kulturarbeit an das Kino Ebensee 1992
Foto: Verleihung des Landespreises für initiative Kulturarbeit an das Kino Ebensee 1992. Bildquelle: Land OÖ